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Höme Unfiltered

Die Höchste Eisenbahn im Interview


Beim diesjährigen Immergut Festival feierte Die Höchste Eisenbahn ihr Fünfjähriges. Schön stilecht mit Nightliner und Auftritt auf der Hauptbühne. Wir haben die Band während ihres Aufenthaltes in Neustrelitz begleitet und ein interessantes Gespräch über Festivals, Erfolg und Stretchlimo-Feeling geführt.

text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Felix Strosetzki

Normalerweise halten wir mit dem Sprinter bei Zuccherino und jeder holt sich noch ein Brötchen. Mit dem Nightliner kannst du da gar nicht halten.

Zum Einstieg vielleicht gleich direkt mal: Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr euch noch einmal ausmalt, dass ihr vor 5 Jahren euer erstes Konzert hier auf der kleinen Bühne beim Immergut gegeben habt und jetzt eben mit dem Nightliner hier ankommt und dann zur besten Zeit auf die Hauptbühne geht? Konntet ihr euch so etwas damals überhaupt vorstellen?
Francesco: Es fühlt sich jetzt nicht linear an, dass das der Weg war, den wir naturgemäß bestritten haben. Ich hab das zeitmäßig gar nicht richtig auf dem Schirm. Ich wusste nicht, dass wir hier unser Fünfjähriges haben. Krass!

Moritz: Es war eben das erste Konzert in der Konstellation. Wir hatten davor schon mit Max gespielt und deshalb haben wir es auch nicht so als das erste Konzert wahrgenommen. Wenn du es so sagst… Ich hatte vorhin so einen Gedanken, damals haben wir auf der Birkenhain-Bühne gespielt und sind aber auch danach nochmal als Duo aufgetreten, ebenfalls Birkenhain. Es ist geil, dass wir jetzt auf der großen Bühne spielen dürfen, aber es ist nicht so, dass wir auf jedem Festival mit dem Nightliner ankommen und die Hauptbühne spielen. Wir fahren ja trotzdem noch mit dem Sprinter zu irgendwelchen Clubs und alles ist knapp.

F: Aber es hängt tatsächlich etwas dran an solchen Sachen. Man kann das ja ganz pragmatisch sehen: Wenn wir sagen, die Strecken sind zu weit, dann kannst du das nicht fahren, vor allem wenn du zwei Leute ohne Führerschein in der Band hast. Dann kann man da natürlich eine Rechnung aufstellen und sagen, es ist cool da mit dem Nightliner zu fahren.

Es wäre aber damals auch gar nicht möglich gewesen mit den Gagen bzw. zeichnet es sich doch auch gerade ab, dass es sicherlich noch häufiger passieren wird.
F: Ja genau, man kommt dann an einen Punkt, wo solche Sachen in die Rechnung mit einbezogen werden. Aber trotzdem gibt es dieses komische Stretchlimo-feeling. Dieses riesen Teil fuhr heute in unserer kleinen Straße vorm Proberaum vor und du kommst dir vor, als würdest du in ein Raumschiff steigen.

Ist das befremdlich?
M: Es fühlt sich halt nicht an, als wäre es unser Bus. Normalerweise halten wir mit dem Sprinter bei Zuccherino und jeder holt sich noch ein Brötchen. Mit dem Nightliner kannst du da gar nicht halten.


Der eine Schritt ist auf dem Holz und der nächste kann auch wieder ins Leere gehen.

Ist das aber nicht eigentlich so das Ziel von vielen Bands, irgendwann im Nightliner unterwegs zu sein?
F: Dieser schale Geschmack von Erfolg haha. Du läufst ja trotzdem ganz normal in diesen Bus rein und nimmst dir eben eine Cola aus dem Kühlschrank, als würdest du da wohnen. Das ist ja ähnlich wie wenn du durch irgendeinen komischen Zufall mal in einem 5 Sterne Hotel pennst und nach 10 Minuten bewegst du dich da trotzdem ganz normal und fragst mal eben wo das Schwimmbad ist oder wo es Frühstück gibt.

M: Das ist so ein Familiengefühl, da auf den Sesseln rumzusitzen, man hat halt kurz Urlaub, aber nächsten Sommer geht man eben wieder zelten. Es fühlt sich nicht so an, als wäre das jetzt so gesetzt.

F: Es gab aber auch bis jetzt nicht den Satz von uns: „Lass mal wieder kleinere Clubs spielen“.

M: Haha.

F: Das machen eher die Leute, die richtig satt und groß sind.

Also ist es für euch vom Gefühl her gar nicht so, als würdet ihr jetzt den nächsten Schritt machen? Wenn man das überhaupt so nennen kann.
F: Naja, es ist eher ein Schritt auf einer Wackelbrücke. Der eine Schritt ist auf dem Holz und der nächste kann auch wieder ins Leere gehen.

Stimmt, jetzt sind ja auch ein paar Festivals wie Immergut oder Haldern, wo man das Gefühl hat, dass die Zeit richtig ist, aber der nächste Schritt wäre vielleicht einer, den man gar nicht will. Z.B., dass man auf einmal relevant für Rock am Ring ist oder so.
F: Das ist auch ein interessanter Gedanke. Du denkst aber vielleicht auch gar nicht drüber nach, wie bei einem Computerspiel wo du nicht abgespeichert hast. Du stirbst und fängst wieder bei Null an.

M: Haha.

F: Aber ist gut, wenn du stirbst und wieder bei Null anfangen kannst.


Vom Gefühl her muss man bei Festivals total drücken.

Habt ihr noch Erinnerungen an euren ersten Auftritt auf dem Immergut?
F: Ja, total. Ich erinnere mich daran, dass Tiere streicheln Menschen hier gelesen haben und dass wir unser Konzert abbrechen mussten, weil auf einmal eine wahnsinnig laute Band auf der Hauptbühne gespielt hat.

M: Meinst du, das war heute für jemanden auch so?

F: Aber wir waren doch schön leise.

Morgen geht‘s dann wohin?
F: Oslip, das ist eine Gemeinde neben Wien. Witzigerweise spielen wir mit Voodoo Jürgens morgen in umgedrehter Reihenfolge. Da spielen wir vor ihm.

Wie viele Festivals sind es insgesamt dieses Jahr?
M: Ich glaub so 30, kann das sein? Oder sind es insgesamt 30 Termine?
F: Auf jeden Fall so, dass man keinen Sommerurlaub machen kann.

Was ist so der größte Unterschied zwischen Clubshow und Festivalshow, also vom Gefühl her?
F: Vom Gefühl her muss man bei Festivals total drücken. Wenn man normal macht, dann ist alles weg, weil so viel Luft zwischen dir und dem Publikum ist.

Man muss mehr kämpfen, weil es eben nicht eure Crowd ist?
F: Ja. Obwohl, das Gefühl hab ich gar nicht mal so. Es hat echt eher damit zutun, dass es draußen stattfindet und im wahrsten Sinne so verpufft.

M: Und die Slots sind ja auch so kurz. Da hast du 50 Minuten gespielt und es ist vorbei, bevor man gefühlt richtig angefangen hat.

Hat man heute bei euch gemerkt. War eure Zugabe überhaupt geplant?
M: Nee, wir waren ja schon drüber über der Zeit.

F: Die „Zugabe“ Rufe kamen aber auch von dengleichen Leuten, die zwischendurch mal „ausziehen“ geschrien haben, haha.

Ich hab Grünkernburger in großen Abfalltonnen angemischt.

Euer erster Besuch auf einem Festival als Besucher, könnt ihr euch daran noch erinnern?
M: Auf dem Holzrock in Schopfheim.

F: Ja, ich auch.

M: Da hast du doch auch mal gespielt, oder?

F: Ja, aber davor war ich auch als Besucher da.

M: Ich hab da so Grünkernburger in großen Abfalltonnen angemischt. Das war ein Festival in Schopfheim, da hat dann But alive gespielt und es war vorm Irrlicht, so einem alten Bahnhofsclub.

Würdet ihr jetzt noch auf Festivals gehen wenn ihr die Zeit hättet?
F: Jein, ich würde gehen, aber wahrscheinlich nicht aus eigenem Antrieb, sondern, weil irgendjemand mich mitschleppt. Ich wäre aber wahrscheinlich sehr dankbar, denn wenn man auf einem Festival spielt, sieht man viele Sachen gar nicht mehr. Deshalb mag ich auch Festivals, wo die Leute so auf Verdacht Karten kaufen, noch bevor das Line-Up steht. Sowas finde ich total geil. Du wirst dann von Bühne zu Bühne geschickt und das ist auch cool. Ich würde eher nicht auf ein Festival gehen, um eine bestimmt Band zu sehen. Obwohl, weiß ich nicht, wenn ich Fan von der Band wäre, dann wahrscheinlich schon. Ich fand es letztes Jahr auf dem Lollapalooza so krass, weil du wirklich gemerkt hast, da waren Leute aus der ganzen Welt, die vorher geguckt haben, wo Radiohead überall spielen und dann haben sie sich dazu entschlossen, eben nach Berlin zu gehen. Die hatten dann ihre Leute aus der ganzen Welt da, das fand ich irgendwie wahnsinnig faszinierend.



Was wäre denn euer Traumsetting für ein Festival? Kann auch völlig unrealistisch sein.
M: Wenn wir es uns aussuchen könnten und danach sterben würden oder?

Von mir aus…
F: Du musst irgendein krasses Szenario entwerfen, damit ich einsteigen kann.

Z.B. Bahamas und alle im Bademeister Outfit oder so.
M: Da wäre ich dabei, aber wegen den Schweinen halt.

Auf Festivals ist ja immer ein bisschen Stress.

Oder irgendwo in den Alpen?
F: Das fasziniert mich schon. Es gibt ja diese komischen Festivals in den Alpen oder irgendwo in Island, wo Erlend Øye auch gerne mal alleine auf einem Felsen sitzt. Der hat doch so ein Festival. Ich glaube, der war da Booker oder so, wo 40 Leute mit einem Boot rübergefahren sind.

Ein geiler Tag auf einem Festival ist für mich tatsächlich, wenn man abgesehen von seinem eigenen Konzert irgendetwas mitgenommen hat. Ich hab auch so Festivals gehabt, wo Whitest Boy Alive im Sonnenuntergang gespielt haben. Das war einfach eine Mischung aus Natur, Wetter und Musik und wenn so etwas passiert, dann finde ich es super. Für so Badeseen habe ich nicht so richtig die Nerven.

M: Das hat schon viel mit dem Wetter zu tun. Es wäre bestimmt geil, wenn die Bühne mitten auf einem Fluss steht und alle anderen sind auch auf dem Fluss oder man ist auf dem Mittelmeer oder was weiß ich. Man kann sich geile Sachen ausdenken, aber dann kommt immer dieses: Zum Spielen ist es ja eigentlich geil, wenn alles entspannt ist und man viel Zeit hat. Auf Festivals ist ja immer ein bisschen Stress. Vielleicht für fettere Bands weniger, weil die viele Stagehands haben, aber Festivals spielen ist aus meiner Erfahrung immer sehr stressig. Alles muss sehr schnell gehen und wenn man fertig ist, muss man alles wieder schnell von der Bühne räumen. Bei einer Clubshow macht man eben so 2 – 2 1/2 Stunden wie man Bock hat, lässt die Sachen stehen, hängt mit den Leuten ab. Das ist schon auch irgendwie geil. Ich weiß nicht, ob es Festivals gibt, wo es auch so sein könnte.

F: Damit hast du ja jetzt gesagt, was das perfekte Festival wäre.

M: Eine Clubshow?

F: Wo du spielst, die Sachen auf der Bühne stehen lassen kannst und einfach mehr Zeit verbringst.

M: Es gibt ganz viele Bühnen und jede Band hat eine und spielt. Dann spielt eine andere Band, dann bist du wieder dran und du kannst immer alles stehen lassen.

F: Ja, wäre geil. Aber gerade was diese Settings angeht, da ist die Vorstellung viel geiler als die Realität. Ich war in Basel und wollte eigentlich zu einem Konzert gehen von Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi. Die haben auf einem Floß auf dem Rhein gespielt und das Publikum war am Ufer. Ich bin dann aus irgendeinem Grund nicht hin, hab aber sowohl mit der Band später drüber gesprochen als auch mit jemandem, der da war und für beide war es total scheiße. Der Sound war kacke, dann hat es noch angefangen zu schiffen und was weiß ich.

M: Wir haben neulich auch im Zug gespielt. Man könnte ja im Zug mit Kopfhörern ein Festival machen. Die Band ist im Fahrradabteil und die anderen haben alle so Funkkopfhörer auf. Das fände ich eigentlich auch ganz lustig.


Ihr seid gar nicht Von Wegen Lisbeth?

Gibt es auf großen Festivals mehr Musiktouristen die nur auf den einen Hit warten bzw. mit Selfies beschäftigt sind?
M: Ah das ist, oh nee, ist doch nicht die Band, haha.

F: Hey, das ist ja gar nicht Von Wegen Lisbeth.

Das kann doch aber wirklich passieren, oder?
F: Ja, das ist uns letztens passiert.

M: Total geil. In Ingolstadt.

F: Moritz hatte eine strange Begegnung…

M: Da kam nach dem Konzert gerade so ein Typ direkt von der Arbeit an und meinte: „Hey, habt ihr gerade gespielt? Ich hab euch neulich noch im Radio gehört, habt ihr noch Vinyl, kann ich mir noch eine Platte kaufen?“ Da bin ich extra noch mal los zur Kiste und hab eine Vinyl rausgeholt und er meinte nur so: „Hä, ach so, Die Höchste Eisenbahn, ihr seid gar nicht Von Wegen Lisbeth“. Seine Freundin hatte irgendwas mit Von Wegen Lisbeth erzählt…

500 Klohäuschen, wenn da irgendwas verstopft ist, dann ist alles voll mit Scheiße.

Abschließend nochmal Immergut in einem Satz.
F: Wir haben vorhin nach dem Konzert gesagt: „Immergut, Immergeil“, das ist aber irgendwie kein schöner Satz.

M: Immergut fühlt sich für mich so ein bisschen an wie Urlaub in der Nähe von Bordeaux mit unheimlich vielen Mücken.

F: Haha, was ich wirklich geil finde, ist, es gibt ja so eine Businesssprache und da wird dann gerne sowas wie „Wald- und Wiesenfest“ benutzt. „Ja, die spielen nur Wald- und Wiesenfestivals“.

M: Immergut ist Wald und Wiesen?

F: Naja, guck es dir mal an.
Ich denke im Wort „Wald- und Wiesenfestival“ steckt doch gar nichts schlimmes drin. Das ist doch was total geiles. Ich meine, wir wollen ja nichts lieber, als Wald- und Wiesenfestivals spielen.

M: Da bin ich mir ganz sicher, dass so Festivals wie das Immergut viel mehr Spaß machen zum Abhängen und zum Spielen als so riesen Festivals, wo dann irgendwann alles aus dem Ruder läuft. Mit 500 Klohäuschen, wenn da irgendwas verstopft ist, dann ist alles voll mit Scheiße. Hier ist es so, wenn irgendwas verstopft wäre, dann wäre das nicht so schlimm, weil hier nicht so viele Leute sind.

F: Hier kann auch nicht passieren, dass Oli Schulz sich mit der Security schlägert, weil er nicht mehr ins Festival reingelassen wird, weil er seinen Pass vergessen hat.

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