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Das Gute und noch Bessere:

alínæ lumr im Interview


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Johannes Jacobi
fotos Jasmin Hollatz, Constantin Timm, Jana Wernicke, Lina Zuppke, Sören Schaller, Laureen Kornemann

Wenn Familie und Freunde zusammenkommen, wenn das Bügeleisen der Schwester nach Frankreich entführt wird und wenn vor der größten Bühne Platz für 800 Menschen ist – dann ist wieder alínæ lumr im beschaulichen Storkow.

 

Eins der schönsten kleinen Festivals des Landes steigt dieses Jahr zum dritten Mal am letzten Augustwochenende. Wir freuen uns schon darauf – und ein paar Fragen hatten wir auch.

Hallo ihr Lieben, danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Ganz kurz zum Start, stellt euch beide doch mal kurz vor. Wie alt seid ihr, was sind eure Aufgabenbereiche beim alínæ lumr und was macht ihr abgesehen vom Festival noch so?
Johann: Mein Name ist Johann (30). Ich bin in Storkow aufgewachsen und meine Familie lebt dort. Im Verein beschäftige ich mich mit der Programmgestaltung für das Festival. Mein Geld verdiene ich als Logopäde.

Laureen: Ich bin Laureen, 29, und bin auch in Brandenburg aufgewachsen. Beim alínæ lumr kümmere ich mich um die Öffentlichkeitsarbeit. Abgesehen vom Festival arbeite ich aber auch in der Musikbranche, u.a. für das tollste Label Sinnbus.

Wollt ihr uns kurz erzählen wie die Idee zum eigenen Festival entstanden ist, wie groß euer Team ist und was euch von Anfang an wichtig dabei war?
Laureen: Es gab bis vor zehn Jahren in Storkow schon mal ein Festival. Das musste damals leider umziehen. 2014 sprach uns die Stadt Storkow an, ob wir nicht wieder so was machen wollen und jetzt organisieren wir das als selbständiger Verein mit circa 20 ehrenamtlichen Mitgliedern.

Wie viele Besucher gab es jeweils bei der ersten und zweiten Ausgabe und erwartet ihr Wachstum für 2017?
Laureen: Da sich alles sehr gut über die Stadt verteilt und auch viele Anwohner*innen „nur gucken“ kommen, zum Beispiel auf den Marktplatz, der keine Einlasskontrollen hat, haben wir keine endgültigen Zahlen. Aber wir schätzen, dass wir jeweils insgesamt um 1000 Menschen waren. Wachstum ist erstmal nicht geplant, das lassen die Kapazitäten der bespielten Orte aktuell auch gar nicht zu.

Es gibt vier verschiedenen Location, richtig? Was für eine Kapazität hat die größte Location und wie viele Besucher könnte das alínæ lumr maximal packen?
Laureen: Dieses Jahr werden es sogar noch mehr Locations!

Johann: Unsere größte Bühne fasst momentan ca. 800 Personen. Wir wollen allen Gästen die Möglichkeit geben, sich den größten Teil unserer Konzerte anschauen zu können, daher wir verkaufen wir auch nur dementsprechend viele Tickets.

Gibt es hauptsächlich Tagesbesucher, oder wird der Campingplatz gut genutzt?
Johann: Da wir nur Wochenendtickets verkaufen, ist neben den zahlreichen Ferienwohnungen auch der Campingplatz immer gut ausgelastet.

Darin liegen Reiz und Schwierigkeit der Festivalorganisation.

Wenn ihr das Festival 2016 und den Planungsstand für 2017 mit den Vorstellungen und Erwartungen vor der ersten Ausgabe vergleicht, geht es heute in eine andere Richtung, oder sind alle Pläne aufgegangen und alles kam so wie erhofft?
Johann: Innerhalb des Vereins haben wir alle ganz unterschiedliche Ideen, Vorstellungen und Visionen von dem, was das Festival ist und was es sein soll. Darin liegen Reiz und Schwierigkeit der Festivalorganisation. Ich bin sehr gespannt, was aus unserem kleinen Festival werden wird. Aktuell gibt es keinen Grund, unglücklich zu sein.

Ihr kommt alles aus Storkow und Umgebung, richtig? Wie eng arbeitet ihr mit der Stadt zusammen und was waren die größten Probleme bei der anfänglichen Überzeugungsarbeit?
Johann: Das Schöne ist und war: nicht wir mussten irgendwen überzeugen von uns, sondern wir wurden überzeugt. Wie Laureen schon erwähnte, haben einige aus dem Team vor Jahrzehnten während des Abiturs schon mal ein Festival in Storkow gemacht. Irgendwann war die Luft raus. Offensichtlich haben wir jedoch einen guten Eindruck hinterlassen.

Hättet ihr das Festival auch woanders durchgeführt, oder ist die Bindung zu Storkow ausschlaggebend?
Laureen: Storkow bietet schon tolle Voraussetzungen. Wir bespielen ja eine ganze Reihe von Orten innerhalb der Stadt und nicht nur eine Wiese irgendwo am Stadtrand. Daher wirkt das Festival wohl auch wie Ferien in einer brandenburgischen Kleinstadt mit anspruchsvollem Kulturprogramm. Zudem liegt ein See nur einige Minuten Fußweg weg von unserem Zeltplatz. Die sogenannten „Standortvorteile“ sind also ziemlich entscheidend. Außerdem wäre es sicher nicht in jeder Stadt möglich, diese ganzen Orte auch tatsächlich für so etwas zu nutzen.

Es ist oft nicht einfach, mit unseren begrenzten Möglichkeiten diese Bands davon zu überzeugen, auf unseren kleinen Bühnen zu spielen.

Beim betrachten euer Website, der Videos und auch des sehr geschmackvollen Line-ups, fällt schnell auf, dass alles zusammenpasst. Wer ist verantwortlich für’s Visuelle und wie kommt das Booking zustande?
Laureen: Das Visuelle entsteht zusammen mit Freund*innen. Das Layout macht dieses Jahr zum Beispiel unser Kumpel Martin (ghostwork.de). Für die Trailer entwickeln wir zusammen mit befreundeten Filmer*innen Ideen und setzen sie um.

Johann: Beim Booking haben wir eine unglaublich lange Liste an Bands, die wir einladen möchten. Es ist oft nicht einfach, mit unseren begrenzten Möglichkeiten diese Bands davon zu überzeugen, auf unseren kleinen Bühnen zu spielen. Langsam scheint es sich jedoch herumzusprechen, dass wir jenseits großartiger Festivals wie Appletree Garden, Haldern Pop oder Immergut eben doch den Charme besitzen, der den üblichen Wald- und Wiesen-Festivals fehlt.


Wie viele Acts wird es insgesamt geben und sticht irgendwas heraus? Ein Act der besonders viel Überzeugungsarbeit benötigt hat, oder ein persönlicher Liebling?
Johann: Es wird 21 Bands geben, die alle für sich stehen. Leider wünschen wir uns viel zu oft, einfach selbst als Gast dabei zu sein, um uns alle Bands angucken zu können.

Laureen: Also ich freue mich besonders auf White Wine. Deren Shows sind ja immer ziemlich verrückt. Und natürlich auf Notwist. Hallo! Notwist bei unserem kleinen alínæ lumr!

Wald- und Wiesenwanderung mit dem Storkower Revierförster

Was wird es 2017 abgesehen von Musik noch bei euch geben?
Laureen: Wir basteln gerade am außermusikalischen Programm. Wir haben so viele Ideen für Lesungen, Theater, Ausstellungen, Workshops – mal sehen was wir realisieren können. Es wird aber bestimmt wieder eine Wald- und Wiesenwanderung mit dem Storkower Revierförster geben, die war bisher immer ausgebucht!

Welche anderen Festivals gefallen oder inspirieren euch selbst?
Johann: Unser Konzept entstand damals unter dem Eindruck des Iceland Airwaves in Reykjavík. Eine ganze Stadt verwandelt sich dort in eine bunte Festivallandschaft, wo die ganz Großen auf ganz kleinen Bühnen spielen, die sich irgendwo zwischen Tante Emma-Laden und Landbäckerei befinden.

Könnt ihr beide bitte jeweils eine schlimme Geschichte, oder den schlimmsten Moment in aus fast drei Jahren alínæ lumr erzählen? Was ist so richtig schief gegangen oder war so unangenehm, dass es in Erinnerung bleiben wird?
Johann: Ich habe der Band Mermonte aus Rennes das Bügeleisen meiner kleinen Schwester geliehen. Das Bügeleisen ist jetzt in Frankreich.

Laureen: Ich habe letztes Jahr das Festivalbüro betreut und wir hatten unglaubliche Probleme mit den Zangen, mit denen man die Plomben an den Festivalbändchen verschließt. Wir mussten sehr viele Plomben und Bänder wegwerfen, weil die Zangen ständig blockierten. Dadurch hatten wir am Ende zu wenig Bänder, waren ständig am zählen ob sie noch reichen. Alle waren schon ziemlich erschöpft von der Arbeit mit diesem Werkzeug. Da auch viele junge Familien auf dem Festival sind, passierte es natürlich, dass eine der Zangen beim Anlegen eines Bändchens an einem kleinen Kinderarm blockierte und sich nicht mehr öffnen ließ. Die Kleine hatte sich super auf das Bändchen gefreut, aber dann natürlich total Angst bekommen, angefangen zu weinen und wollte weg, aber die Zange hing ja noch an ihr. Das war für mich der Tiefpunkt dieses Zangen-Desasters.

Da auch viele junge Familien auf dem Festival sind, passierte es natürlich, dass eine der Zangen beim Anlegen eines Bändchens an einem kleinen Kinderarm blockierte ...

Und abschließend das selbe bitte nochmal in schön: Könnt ihr jeweils einen schönen Moment, eine unvergessliche Erinnerung erzählen? Etwas, dass aufzeigt, dass all die Arbeit es Wert ist oder ein eine Geschichte die bezeichnend für eure Sicht aufs alínæ lumr ist?
Laureen: Das schönste sind natürlich die Konzerte, auch wenn ich letztes Jahr nur zwei miterlebt habe. Eins davon waren Sometree auf unserem Marktplatz. Durch unsere Anfrage hatten wir gewissermaßen eine Reunion hervorgerufen, denn die Band hat sich vor ca. sechs Jahren aufgelöst. Man hat gemerkt, dass der Auftritt etwas Besonderes war und das Publikum sich da irgendwie selig in den Songs von „damals“ wiegen ließ. Ein sehr guter Freund von mir spielt zudem in der neuen Besetzung mit und sah einfach so zufrieden aus bei diesem Auftritt. Das war ein sehr wohliger Moment, abseits des Trubels und der doofen Zangen.

Johann: Im ersten Jahr kamen ungelogen all meine Freundinnen und Freunde zum Festival, alte Lieben, neue Lieben, meine Familie, alte Schulfreunde, neue Arbeitskolleginnen und die vielen Leute, die ich noch nicht kannte und die jetzt Teil meines Lebens sind. Das Gefühl, alle um sich herum zu haben, war unbeschreiblich. Ein Gefühl, als löste sich alles ins Gute und noch Bessere auf.

alínæ lumr 2017: Freitag 25.08. – Sonntag 27.08.2017 / Storkow (Mark)
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