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Von Vertrauen und Werten:

Erinnerungen vom Haldern Pop Festival 2016


2017 ist eingeläutet, die meisten Festivals sind schon seit Längerem wieder im Vorverkauf und die Line-Ups wachsen täglich oder sind bereits schon vollständig angekündigt. Der Kampf um ausreichend Besucher ist eröffnet, Veranstalter stellen sich die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis und Festivalbegeisterte müssen abwägen, wann und wo der Jahresurlaub verbraten werden soll. Nicht so in Haldern und nicht so für die Besucher dieser ganz besonderen Perle der europäischen Festivallandschaft.

text Johannes Jacobi 
fotos Felix Strosetzki

In Haldern ist alles ein klein wenig anders: Es geht um Werte fernab des Ausverkaufs und fernab vom Einweg-Massen-Produkt. Es geht um Vertrauen und es geht um Anspruch – Dinge, nach denen man lange suchen muss im großen glitzernden Festivalzirkus.

Nur wenige Festivals haben über die Jahre solche Auszeichnungen erhalten, sind von Besuchern, Musikern und anderen sehr erfolgreichen Veranstaltern so in den Himmel gelobt worden. Nur wenige Festivals können von sich behaupten, ein so enges und persönliches Verhältnis zu Publikum und Bands zu pflegen. Was also wird hier anders gemacht und was ist das Rezept? Wenn es denn so einfach wäre…


Das hier ist kein kommerzielles Festival. Das ist einfach ein schnuckeliges, kleines Superfestival mit netten Leuten, die sich gegenseitig helfen.



Es ist Mittwochnacht und in ca. 12 Stunden fällt der Startschuss zum 33. Haldern Pop Festival. Es ist sternenklar und ein frühabendlicher Regen hat für unangenehme Abkühlung gesorgt. Dessen zum Trotz strahlt das fast menschenleere Gelände wohlige Wärme aus. Auf der Mainstage wird gerade das Licht getestet und so ganz ohne Musik und Publikum wirkt die Bühne sehr beruhigend, aber doch irgendwie mächtig. Man macht sich schick und zwar seit über 20 Jahren in Zusammenarbeit mit dem inzwischen mehrfach ausgezeichneten Lichtdesigner Rolf Wenzel.

Müsste Anfang der 2000er gewesen sein. Da hatte der Rolf so einen speziellen Effekt für eine Band mit eingebaut. Einen riesen Kronleuchter auf der Bühne, der zu einem bestimmten Zeitpunkt anging. Es gab riesigen Applaus! Das Publikum drehte sich zum Lichtturm um und der Applaus ging direkt an Rolf.


Beim Betreten des legendären Spiegelzeltes macht sich ein kleines bisschen Ehrfurcht breit. Nicht nur, dass diese aus Holz und Glas bestehende Konzertlocation angenehm zerbrechlich wirkt – hier haben auch schon unzählige Bands, die heute als Headliner unterwegs sind, vor 800 Menschen großartige Konzerte gespielt. Das Zelt ist komplett leer, gedimmtes Licht beleuchtet die zur Hälfte ausgepackten Soundcases und die Stimmung, die selbst jetzt, so ganz ohne Konzert herrscht, ist einzigartig und unmöglich zu kopieren. Die bewusste Entscheidung, auf einem Festivalgelände mit 6.500 Gästen, eine der zwei Bühnen auf 800 Personen zu begrenzen und statt einem größerem Zelt einfach eine Liveübertragung in den Biergarten davor zu legen, macht hier Sinn und den kleinen feinen Unterschied zu anderen Festivals.

Ich hatte den Vorverkauf verpasst, aber es hieß, dass es noch einzelne Karten gibt. Also bin ich morgens um 6 Uhr Anfang Januar in meiner Skikleidung aufs Fahrrad und war die Erste vor’m Laden.


Wir spulen 48 Stunden vor zum Konzert von Loney Dear auf der Mainstage. Gerade singt der komplette Reitplatz für den schwedischen Multiinstrumentalisten und er bedankt sich singend und mitten im Song beim Veranstalter Stefan Reichmann für die erneute Einladung zum Haldern Pop. Nur zwei Stunden vorher, beim Konzert des fantastischen Glen Hansard, wurde beim Oscar-prämierten Song „Falling Slowly“ dieselbe junge Frau aus dem Publikum auf die Bühne gebeten wie schon 2013. Unter Tränen sang sie den Song erneut zu Ende und Glen erzählte noch fix, wie es 2013 nach dem Konzert Lagerfeuermusik im Backstage gab.

Am schönsten sind die Abende am Lagerfeuer im Backstage. Wenn man sieht, dass die Künstler sich dort wohlfühlen und dann doch nochmal die Gitarre rausholen und auch mal singen. Beim letzten Mal war das mit Glen Hansard und LaBrassBanda, die dann mit der Tuba durch die Gegend gezogen sind.

Die Begeisterung der Musiker überträgt sich hier auf’s Publikum und diese Symbiose führt zu dieser ganz speziellen Haldern Magie. Man kann spüren, dass es den Musikern gut geht, dass es allen Helfern gut geht, dass sogar die Busfahrer und Techniker der Bands nach dem Konzert noch eine Runde schmeißen und dass das Publikum gute Musik schätzt. Hier hat keiner Bock auf Bungeejumping, Werbeaktionen und Discoflair. Hier gibt es Konzerte in der Kirche und der Haldern Pop Bar und hier rücken Regen und Matsch genauso in den Hintergrund wie Starallüren.

Es geht um Handgemachtes und gegenseitiges Vertrauen. Vertrauen in eben diese, nicht näher definierbare, Haldern-Formel. Besucher, Musiker und die fleißigen Menschen hinter dem Haldern Pop: Alle scheinen sich einig und so findet der jährliche Ausverkauf aller Tickets eben ohne wirklichen Ausverkauf statt. Danke Haldern Pop. Wir sind froh, dass es dich gibt.

Das Beste hier ist das Ineinandergreifen von Alt und Jung. Hier weckt der Vater den Sohn zum Aufräumen und am nächsten Tag ist es dann andersherum.


Das ist mein zwölftes Mal und es ist immer wieder schön. 2005 war das Line-Up so hochkarätig für mich, dass ich mich alleine in meinen VW Bus gesetzt habe und hergefahren bin. In dem Jahr hatte ich auch ganz nette Zeltnachbarn und dieses Jahr sind wir tatsächlich zum zwölften Mal zusammen hier. Die waren letztes Jahr dann auch bei meiner Hochzeit...