Magazin

Dosenfisch und Bestechung

Interview mit Odd Couple auf dem Roskilde Festival


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Lino Adriano

Eigentlich keine Lust auf zelten, keine Socken eingepackt und den ersten Abend in der Dusche verbracht? Überall urinierende Menschen und gleichzeitig rauchen und Hände aufwärmen? Höme hat Odd Couple für ihren Roskilde Gig begleitet und noch ein Interview hinterhergeworfen.

 

Was war euer erstes Festival als Besucher und welches das erste mit Odd Couple?
Jascha: Mein erstes Festival war mit 15/16 das Omas Teich Festival in Ostfriesland. Ans erste mit Odd Couple erinnere ich mich nicht.

Tammo: Das erste Festival, an das ich mich erinnern kann, ist White Sands. Das war 2006 glaub ich. Eigentlich ist das ein Surf Festival auf Norderney, eine Insel in der Nordsee, die vor unserer Heimat-Küste liegt. Allerdings haben die Leute, mit denen wir zu tun hatten, und wir diese Gelegenheit eher dazu genutzt, sich zwischen den Dünen niederzulassen und sich sinnlos zu betrinken.
An mein erstes Festival mit Odd Couple kann ich mich jetzt nicht so aus dem Stehgreif erinnern.



...dass ein Sandkorn meinen Tränenkanal verstopft hat.

Was für Erinnerungen habt ihr jeweils an die beiden Festivals?
Jascha: Auf jedem ersten Festival wird man natürlich mit der ganzen Kultur drumherum vertraut gemacht. Wir waren äußerst unorganisiert. Ansonsten erinnere mich ich mich an sehr einflussreiche Auftritte von Godz of Blitz, Nice Boy Music und Napoleon – sowas wollte ich auch irgendwann mal machen. Das Festival gibt´s leider nicht mehr.

Tammo: Wenn‘s ums White Sands geht, kann ich mich daran erinnern, dass ich morgens im Zelt aufgewacht bin und nur komplett verschwommen sehen konnte, da ich Eiter zwischen meinen Augen und Augenlidern hatte. Ich bin irgendwann ins Krankenhaus und da hat man mir erklärt, dass ein Sandkorn meinen Tränenkanal verstopft hat. Was für ein komischer Zufall, dass einem ein Sandkorn direkt da hinfliegt und auch noch stecken bleibt. Das ist mir nie wieder passiert. Gut so.

Was ist für euch heute der größte Unterschied zwischen einer Clubshow und einem Festival – Was wird bevorzugt?
Jascha: Auf Clubtour ist alles etwas entspannter. Mehr Zeit für Soundcheck, etc. Auf Festivals spielen wir zum Großteil vor Leuten, die noch nie von uns gehört haben – das mag ich.

Tammo: Das einzige, was mich an Festivals oft nervt, ist, dass es zu hell ist, wenn man früh spielt. In unserem Fall sind aber natürlich oft die Anlagen auf den Festivals fetter als in den Clubs, in denen wir spielen.



Oh man, hoffentlich überlebe ich das Zelt.

Was war euer erster Gedanke, als klar wurde, dass ihr auf Roskilde spielen werdet?
Jascha: Geil. Geiles Line-Up. Hoffentlich können wir länger bleiben. (Das konnten wir nicht.)

Tammo: Cool – ein Festival mehr. Ehrlich gesagt hab ich erst gar nicht geschnallt, was das Roskilde für ein riesen Festival ist. Als dann auf einmal alle um uns herum so begeistert von dieser Neuigkeit waren, hab ich mich mal schlau gemacht und dann war ich’s auch.

Mit welchen Erwartungen habt ihr die Reise angetreten?
Jascha: Wir fahren zu einem großen Festival und das Wetter ist nicht so gut gemeldet.

Tammo: Ein riesen Sidefill an den Drums und viele Leute… gute Leute – beides hat sich erfüllt und war großartig.
Und: „Oh man, hoffentlich überlebe ich das Zelt“. Nee, wirklich, ich hasse Zelte. Ich hab’s überlebt, wie man sieht.



Was war euer schlimmster Moment auf Roskilde?
Jascha: Tatsächlich zu zelten. Da bin ich raus.
Tammo: Der erste Morgen.

Und die angenehmste Situation?
Jascha: ‘Ne geile Show spielen, während die Sonne scheint. Und dann ist die Freundin auch noch dabei.

Tammo: Die Show natürlich.

Publikum war gut? Oder eher weniger?
Jascha: Top!

Tammo: Super. Eins der besten.

Das haben wir begossen.

Könnt ihr euch an die letzten 10 Minuten vor der Show erinnern? Was ging euch durch den Kopf?
Jascha: Ich hätte weniger Bier trinken sollen, hoffentlich reißt mir keine Saite, wie geht es Dennis aka. Memphis?

Tammo: „Ich will eine Rauchen“ und „ich muss meine Hände aufwärmen“.
Das beides zu verbinden ist immer wieder eine der schwersten Aufgaben.

Und die ersten 10 Minuten nach der Show?
Jascha: Ich war ziemlich glücklich. Hat alles geklappt und alle waren zufrieden. Das haben wir begossen.

Tammo: „Geile Show. Läuft“. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich mich jetzt vor der Roskilde Show nicht anders gefühlt hab als bei sonstigen Festivals.

Ist es befremdlich, vor einer Menge wie der in Roskilde zu spielen – oder habt ihr Bock auf größere Crowds?
Jascha: Nein! Ja, kommt alle her!

Tammo: Nein – fand ich ziemlich gut und ich habe auch an größeren Menschenmengen nichts auszusetzen, wenn die gut dabei sind.

Als ihr angefangen habt, haben da Festivals und Crowds dieser Größe eine Rolle gespielt in euren Vorstellungen / Erwartungen. Oder kommt sowas dann doch plötzlich?
Jascha: Na klar. Ich kann aber auch mit 50 Leuten im Raum Spaß haben.

Tammo: Natürlich denkt man immer groß, aber ganz im Ernst: Mir kommt die Entwicklung eher fließend als plötzlich vor. Organisches Wachstum ist hier das Stichwort.

... die Stagemanagerin fast in den Wahnsinn getrieben.

Beschreibt bitte mal euren Aufenthalt auf Roskilde von Anfang bis Ende.
Jascha: Zu Beginn viel Kälte, kein Essen, keine Lust aufs Zelt und leichte Überforderung mit dieser Masse an Menschen, die überall hinpinkeln. Am Tag von unserem Konzert war dann zum Glück die Sonne da und ich glücklich. Allerdings fiel am Tag der Abreise das auf Wiedersehen nicht all zu schwer.

Tammo: Direkt als wir ankamen, ist mir aufgefallen, dass es wahrscheinlich ziemlich kalt wird in der Nacht. Nachdem wir die Zelte aufgebaut hatten, sind wir ein bisschen übers Gelände gelaufen und haben in ein paar Shows reingeschaut, die Massenwanderung der Lemminge über die Bahnschienen mitgemacht und was gegessen. Da Dennis komplett unvorbereitet dahin gefahren ist, hatte er weder eine Jacke noch Socken dabei, weswegen ich mich mit ihm in die Duschen gesetzt (der einzige warme Ort) und mir 8 Bier reingelassen hab. Nach 4 Stunden Schlaf bin ich komplett durchnässt im Zelt aufgewacht. Während mein kompletter Körper also durch kalt-nassen Schweiß mit dem synthetischen Material des Schlafsacks verbunden war, wusste ich dann auch wieder, warum ich zelten hasse. Ich bin mit Lino zu den Skatern gelaufen und hab erstmal ‘nen Kaffee getrunken. Dann kam auch schon Janos an und ich hab mit Jascha, Janos, Lino und Janna beim Artist Check-in rumgesessen, die Setlist geschrieben und die ersten Biere geöffnet. An der Bühne angekommen, hab ich dann auch Dennis wiedergesehen, der wie erwartet nach durchzechter Nacht in bester Verfassung war und uns seinen neuen Seelenverwandten vorgestellt hat. Dann haben wir gespielt. Eine der besten Shows der Festivalsaison. Super Sound auf der Bühne und das Publikum war komplett dabei. Nach der Show war keiner von uns mehr in der Lage, Auto zu fahren. Dadurch haben wir die Stagemanagerin, glaub ich, fast in den Wahnsinn getrieben. Ich hab die Situation letztendlich so gelöst, indem ich einem der freiwilligen Helfer ein Shirt und ‘ne CD gegeben hab, wofür er unser Auto aus der Gefahrenzone bewegt hat. Wieder am Artist Check- in wurde ich dann auch noch kulinarisch gerettet. Da ich am Tag davor meinen Essenscoupon aufgebraucht hatte und das Essen für mich exorbitant teuer war, hatte ich mich den ganzen Tag nur von Chips, Bier und Kaffee ernährt. Janos war mein Ritter in Goldener Rüstung als er eine Dose Fisch in Tomatensoße aus seinem Auto zauberte. Das Zeug hat glaub ich noch nie so gut geschmeckt – außer in Frankreich vielleicht. Danach bin ich nochmal mit Janos übers Festivalgelände und dann ins Bett. Ende. Vorbei. Nächster Morgen. Fahren. Fähre. Fahren. Tschüß. Bis Bald.




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