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Geschmacksfragen beim MS Dockville:

Ein Interview über Booking und die richtige Mischung


Seit 2007 lädt das MS Dockville nun schon Jahr für Jahr dazu ein, den Festivalsommer mit Pauken, Trompeten, Kunst und überdurchschnittlich viel guten Acts ausklingen zu lassen. Wer auf Musik im Bereich Indie und Electronica steht, keine Angst hat, auch mal links und rechts auszubrechen und unbedingt das Beste von heute und morgen will, wird hier zugeballert, dass es fast schon eine Frechheit ist.

text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Hinrich Carstensen, Pablo Heimplatz, Harry Horstmann

Wir wollten wissen, wie die Musik zum MS Dockville kommt und Bookerin Annika Hintz hat uns über ihre Arbeit aufgeklärt.

Drei Songs, die heute in deiner Playlist laufen?
 Bonobo feat. Nick Murphy (fka Chet Faker) – No Reason 
 Flohio – Bands 
 Dennis Lloyd – Nevermind

Ein Song, der in diesem Jahr bisher besonders häufig bei dir gelaufen ist?
The Blaze – Territory

Wie würdest du das Rezept für euer Line-Up in einem Satz zusammenfassen? 
Handverlesene NachwuchskünstlerInnen, hitzig geliebte Dauergäste, heiß erwartete Geheimtipps und hochkarätige Headliner.

Was schätzt du, wie viele Bandbewerbungen bekommt ihr jedes Jahr? Hörst du alle durch und sind die für euer Line-Up überhaupt relevant?
Ich würde sagen, es kommen täglich ein Dutzend. Ich schaffe es so leider nicht, alle durchzuhören. Gute Acts sind natürlich immer relevant, auf diese stößt man aber meistens auch abseits von der direkten Bewerbung. Es gibt viele Wege, wie wir auf Acts aufmerksam werden und wir beobachten sehr genau.

Wie gehst du mit der Erwartungshaltung eurer Gäste um? Es ist ja unmöglich, es allen recht zu machen, aber trifft dich Gemecker und Kritik persönlich und hat es Einfluss auf euer Booking?
Was nervt, ist ein bestimmter Anteil an Kommentaren von Menschen, die ihr Gehirn scheinbar abschalten, sobald sie Onlinemedien – wie etwa Facebook – verwenden. Dies ist natürlich nicht unser persönliches, sondern vielmehr ein generelles Problem der heutigen Zeit. Konstruktive Kritik nehmen wir uns sehr zu Herzen und diskutieren intern auch oft darüber. Viele KritikerInnen können nicht einschätzen oder vergessen, wie aufwendig und risikoreich es insgesamt ist, ein Festival zu organisieren. Es gibt beispielsweise extrem viele Faktoren, die bedingen, ob man einen Act aufs Festival bekommt oder nicht. Auch wir wollen natürlich möglichst jedes Jahr das „beste“ Programm präsentieren – in manchen Jahren ist dies leichter als in anderen. Ein Programm ist darüber hinaus von Jahr zu Jahr subjektiv, es kommt ganz auf den oder die BetrachterIn an. Dieser Faktor der Subjektivität wird gerne mal in Kommentaren vergessen und Kritik pauschalisiert. Ich würde es toll finden, wenn Kritik mehr auf die eigenen Wünsche und Forderungen eingehen würde. Konkrete Vorschläge auch in Bezug auf Actwünsche helfen uns weitaus mehr als generelle Aussagen wie etwa „bucht mal mehr Acts wie XY“.





Gibt es so etwas wie deinen größten persönlichen Erfolg beim Booking der letzten Jahre? 
Für mich ist es der größte Erfolg, wenn die BesucherInnen glücklich sind und sich bestenfalls ihr Leben lang an ein Wochenende beim MS DOCKVILLE erinnern.
An ein einzelnes schönes Erlebnis erinnere ich mich dennoch: Nachdem King Krule 2013 sein Konzert bei uns abgesagt hatte, haben wir es jährlich wieder versucht, ihn doch noch zu uns zum MS DOCKVILLE zu bekommen. Dies sollte nach drei weiteren Jahren des Wartens 2017 endlich der Fall sein. Insgesamt muss man sagen, dass im Hintergrund natürlich mit viel mehr Acts Gespräche und Verhandlungen geführt werden als am Ende beim MS DOCKVILLE auftreten. Es gibt enorm viele Gründe, ob ein Booking am Ende klappt oder nicht – der Booking-Prozess ist durchaus kompliziert, auch wenn man dies zunächst nicht vermutet. Am erstauntesten sind viele Menschen immer noch darüber, dass das Booking ein ganzes Jahr in Anspruch nimmt.

Wie viel Prozent eures Line-Ups für dieses Jahr sind schon bestätigt?
Ich würde sagen, es sind nun rund 90-95%. Wir geben noch eine kleine Bandwelle sowie noch einiges an Programm für die kleinen Bühnen und Kunstorte bekannt.

Kannst du schon mehr darüber erzählen? Was wird ganz besonders gut, worüber freust du dich bisher am meisten und was kommt noch?
Dieses Jahr sind wir besonders stolz darauf, Alt-J und Bonobo dabei zu haben, da wir auf beide lange hingearbeitet haben. Im Allgemeinen glaube ich, dass die Mischung, die wir beim MS DOCKVILLE präsentieren erneut sehr vielschichtig und dennoch rund ist. Diese Mischung aus etwa Olli Schulz, First Aid Kit, Cigarettes After Sex, Alice Merton, Princess Nokia, Trettmann, Nimo, The Blaze, ZHU, Camelphat oder George Fitzgerald (live) ist glaube ich für ein deutsches Festival immer noch recht einzigartig.
Beim MS DOCKVILLE freuen wir uns auch, Acts erneut präsentieren zu können und sie so auf ihrem Weg zu begleiten. Dieses Jahr betrifft dies zum Beispiel Nick Murphy fka Chet Faker, Faber, Fil Bo Riva oder auch die Drunken Masters.

Drei Acts aus euer Festivalvergangenheit, an die du dich besonders gern erinnerst?
 Chet Faker – Nun als Nick Murphy glücklicherweise dieses Jahr wieder dabei. Sein Konzert 2014 war eines der vollsten, die wir je hatten.
 Kakkmaddafakka – Weil wir sie und sie uns schon sehr lange begleiten. Man könnte fast meinen, dass sie unsere „Hausband“ sind.
 Daughter – Sie ist einfach eine Ausnahmekünstlerin! Wir würden es lieben, sie endlich nach ihrem Auftritt im Jahr 2012 wieder einmal dabei zu haben. Leider hat es in den letzten Jahren immer nicht sein sollen.


Welches war das erste Festival, welches du selbst besucht hast und was ist dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
Das erste Festival, das ich besucht habe, war 2008 die „Teenage“-Version vom Field Day Festival in London, das „Underage Festival“. Ich war damals gerade 17 geworden. Im Nachhinein betrachtet ein wahnsinniges Line-Up inklusive Florence and the Machine, Bombay Bicycle Club, The Maccabees, Four Tet, Wild Beasts, Glasvegas und und und.

Drei Festivals, die dich inspirieren und deren Line-Ups wir uns unbedingt anschauen sollten?
 Field Day London 
 Maifeld Derby 
 Dekmantel Festival

Drei Festivals, die du in der Vergangenheit selbst besucht hast?
 Flow Festival 
 The Great Escape 
 SXSW

Drei Festivals, die du in der Zukunft noch besuchen möchtest?
 Fyf Fest
 Primavera Sound
 Iceland Airwaves

Mit allem Geld der Welt, was wäre dein Traum-Act für euer Festival?
Auf Anhieb fällt mir da niemand ein. Viel mehr freut es mich, neue aufstrebende Acts zu entdecken und frühzeitig zu platzieren, sie bei ihrem Weg zu begleiten. Wie etwa bei Tash Sultana im letzten Jahr – sie dürfte gerne noch einmal wiederkommen.

Auf welchen Wegen findest du neue Musik?
Überall. Online, im Radio, im Fernsehen, durch FreundInnen. Die Möglichkeiten sind heutzutage schier unbegrenzt. Nahezu überall wird man ja mit Musik konfrontiert.

Zum Abschluss verrate uns doch noch bitte deinen Geheimtipp für 2018. Welchen Act sollte sich niemand entgehen lassen?
Ein Act reicht natürlich bei einer Anzahl von rund 150 Acts, die beim MS DOCKVILLE spielen, nicht aus. Gerade die Newcomer sind dieses Jahr sehr spannend. Yungblud etwa wird für alle etwas sein, die gerne ein energetisches Konzert sehen wollen. Auf Nilüfer Yanya freue ich mich persönlich sehr, genauso wie auf Sevdaliza und Princess Nokia. Ich könnte aber noch lange weitermachen mit dieser Liste. Am besten hört man sich einfach mal durchs komplette Line-Up (beispielsweise mithilfe unserer Spotify Playlist) und findet dadurch vielleicht zu seinem neuen bisher noch nicht gekannten Lieblingsact!