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Ein letztes Mal Wilde Möhre Festival:

Das Interview zum Ende


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Johannes Jacobi
fotos Paula G.Vidal

 

Das Wilde Möhre Festival 2018 wird das letzte seiner Art sein. In einer kurzen Meldung wurde vor wenigen Tagen das Ende des Festivals verkündet und trotz stetiger Verbesserungen am Konzept und dem Festival selbst geht es 2019 nicht weiter. Wir wollten mehr erfahren und haben mit Alexander Dettke aus dem Orga-Team gesprochen.

Update (24.08.2018)
Wenige Tag nach der Wilden Möhre 2018 wurde bekanntgegeben, dass das Festival bestehen bleibt. In Zusammenarbeit mit dem neuen Bürgermeister von Drebkau wird nun ein Plan entwickelt. Hier der Wortlaut der Veranstalter:

„Heute ist ein großartiger Tag zum Tanzen, denn die Wilde Möhre 2019 wird stattfinden! Dank der Unterstützung des neuen Drebkauer Bürgermeisters Paul Köhne, seinem Team und dem Beigeordneten des Landkreises Herrn Lalk, konnten wir uns in den Verhandlungen einigen. Das wundervolle Ergebnis: wir dürfen unsere Gebäude stehen lassen, müssen aber einen umfangreichen Bebauungsplan vorlegen.“

Mehr zu den vorangegangenen Problemen gibt es im folgenden Gespräch.

Hallo Alex. Seit unserem letzten Interview 2016 ist viel passiert bei euch. Magst du ganz kurz die Entwicklung der Wilden Möhre zwischen dem Festival 2015 bis einschließlich 2017 beschreiben? Wie hat sich das entwickelt, seid ihr gewachsen, wie zufrieden wart ihr mit der Organisation und der Ausrichtung im Gesamten?
Moin, moin Johannes! Das waren unheimlich aufregende Jahre! In der Anfangszeit entwickelt sich so ein Festival in einer Wahnsinns-Geschwindigkeit. Das Team gewinnt an Erfahrung, man verbessert viele Bereiche wie die Infrastruktur und die Floors, trifft inspirierende Menschen und baut das Festival immer weiter aus. Wir waren in den vergangenen Jahren eigentlich mit 5.000 Tickets am glücklichsten und so wird es dieses Jahr auch sein. Organisatorisch war das letzte Jahr eine ganz neue Herausforderung durch das Unwetter und die danach erschwerte Versorgungslage insbesondere bei den Toiletten. Dieses Jahr haben wir vorgesorgt und sind gut aufgestellt. Zudem können wir die Wilde Möhre wieder ordentlich laut machen!

Ihr habt soeben angekündigt, dass die Wilde Möhre 2018 die letzte ihrer Art sein wird. Wieso musstet ihr diesen Schritt gehen?
Nach einem längeren Prozess mit der Bauordnungsbehörde wurde entschieden, dass wir alle Gebäude abbauen müssen und zumindest momentan keine langfristigen Bauten unterhalten dürfen. Damit geht eine wichtige Säule der Atmosphäre der Wilden Möhre verloren. Wenn wir also ganz anders bauen müssen, was nicht schlechter sein muss, hätte das Ganze aber dennoch nicht den Charme und die Identität der Wilden Möhre. Also finden wir es nur fair, die Wilde Möhre für das, was sie noch ist und bald gewesen sein wird, in die Geschichte eingehen zu lassen. Wir wollen dieses für uns wichtige Lebenswerk nicht verwässern und dann lieber zu einem gebührenden Abschluss führen.



Wie lange ging das Hin und Her mit den Ämtern und unter welchen Bedingungen hättet ihr weitermachen dürfen?
Der Prozess geht nun schon über zwei Jahre, hat einiges an Geld verschlungen und würde, um etwas zu erreichen, noch viel viel mehr Geld verschlingen. Die Bedingung für den Erhalt der Gebäude ist ein Bebauungsplan, den es im Außenbereich, wo unsere Veranstaltungsfläche liegt, nicht gibt. Bei der Erstellung des Bebauungsplans sind wir dabei von zahlreichen Behörden abhängig und müssen extrem viel Kapital beisteuern.
Letztlich scheitern wir hier aber am Zeitfaktor: Es ist einfach so, dass die Lage unserer Gebäude von rechtlicher Seite so nicht erlaubt ist. Da sie aber bereits so stehen, könnten wir die deklarierte Fläche zwar verändern, müssten diesen Prozess aber finanzieren können und die entsprechende Zeit mitbringen. Beides können wir nicht leisten und somit hat die Aufsichtsbehörde entschieden, dass alles weg muss.

Das Baurecht sieht keine Besiedlung oder Veranstaltungen wie Festivals vor.

Wäre es rein theoretisch möglich gewesen, sich zu einigen, Sachen neu zu bauen und weiterzumachen? Oder ist die Zusammenarbeit mit den Ämtern der Region so festgefahren, dass es einfach keine Zukunft hat?
Alles ist möglich, solange man im Rahmen des Rechts bleibt. Nur leider sind die Voraussetzungen für Festivals der Subkultur in jeder Hinsicht sehr bescheiden. Das Baurecht kennt im Außenbereich Bedingungen für Landwirte, sieht aber keine Besiedlung oder Veranstaltungen wie Festivals vor. Die in Frage kommenden Flächen haben also keine entsprechende gesetzliche Regelung. Man ist hier auf den guten Willen der Behörden angewiesen oder braucht Geld und Zeit, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei neuen Projekten werden wir also so bauen, dass wir danach wieder alles abbauen können.

Gab es Fehler auf eurer Seite, ohne die Schlimmeres hätte vermieden werden können?
Wir machen ständig haufenweise Fehler! Ich weiß, dass mein Team alles gegeben hat und nach den Möglichkeiten gehandelt hat. Bestimmt hätte es ein Szenario gegeben, in dem man zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Ein solches ist mir aber nicht bekannt und wir machen jetzt das Beste aus der Situation.

Wir haben uns von Jahr zu Jahr gehangelt und versucht, ein liebevolles, wertebasiertes Festival zu veranstalten.

Würdet ihr auf Seiten der Gemeinde / Ämter von Willkür sprechen?
Nein, Willkür ist das ganz sicher nicht. Das Amt ist fair und hält sich an die Gesetze. Man kann den Mitarbeitenden aus den Ämtern keine Vorwürfe machen. Diese Menschen versuchen, ihren Job gut zu machen und sich an die Regeln zu halten. Die Regeln sind für das gesellschaftliche Leben auch wichtig und nachvollziehbar. Sie hängen modernen oder alternativen Entwicklungen nur immer hinterher.

Hattet ihr jemals das Gefühl, angekommen zu sein oder war schon früher klar, dass die Wilde Möhre in dieser Form auf diesem Gelände nur eine temporäre Geschichte sein kann?
Wir wussten immer nur vage, wohin die Reise geht. Es ging ja alles auch so schnell. Was mich betrifft, war ich jedes Jahr überwältigt von den Herausforderungen und jedes Jahr gab es irgendein existenzielles Problem, das gelöst werden musste. Ich kann nicht behaupten, dass ich davon ausgegangen wäre, dass es immer so weitergeht. Wir haben uns von Jahr zu Jahr gehangelt und versucht, ein liebevolles, wertebasiertes Festival zu veranstalten. Das Wichtigste war uns, die Utopie zu erschaffen und zu leben. Uns war aber auch klar, dass wir hier ganz viel lernen müssen und nichts garantiert für die Ewigkeit ist.

Ihr habt zugleich angekündigt, dass es weitergehen wird. In welcher Form genau und was können wir von euch als nächstes erwarten?
Das wird erst auf dem Festival gelüftet.

Was bedeutet dieser Neuanfang für euch als Team? Gibt es einen großen Umbau, werdet ihr kleiner oder bleibt alles bestehen und ihr geht gemeinsam neue Wege?
Das findet sich alles gerade. Wir gehen jetzt erstmal alle unsere Möglichkeiten durch und prüfen nochmal, was uns wichtig ist. Wir haben so unfassbar viel gelernt und wahnsinnig spannende Ideen entwickelt. Jetzt nutzen wir die Gelegenheit, um den nächsten Schritt zu nehmen und etwas zu machen, das uns allen von Herzen wichtig ist.