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Der Anfang war gar nicht so schwierig:

Neon Fields im Interview


 
 

interview Johannes Jacobi
fotos Caroline Hoops, Franz_Schepers, Klangkultur Emsland e.V.

Aufstrebende Künstler unter historischem Gemäuer einer alten Mühle zu einem unschlagbaren Ticketpreis: Das Neon Fields Festival versteht sich als kuschelig-kleines Gegenstück zu überdimensionierten Massenveranstaltungen und geht 2017 in die dritte Runde. Die einzigartige Location und musikalische Ausrichtung sind nur zwei der Gründe dafür, dass das Neon Fields als absoluter Geheimtipp für Liebhaber handgemachter Festivals gehandelt wird. Grund genug mal nachzuhaken, wie es bisher so lief.

 

Hey ihr beiden. Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Stellt euch doch bitte erst einmal kurz vor: Name, Alter, Wohnort und eure Aufgaben beim Neon Fields.
J: Moin Johannes. Gerne! Ich bin Julian, 29 Jahre alt und wohne im Moment in Kassel. Beim Neon Fields bin ich verantwortlich für alles was irgendwie in den Bereich Genehmigung und Finanzen gehört. Außerdem kümmere ich mich um Fördermittel und versuche so gut es geht die verschiedenen Aufgabenbereiche zu koordinieren, damit am Ende des Tages alles funktioniert.

H: Ich bin Heiner, bin 29 und beim Neon Fields kümmere ich mich darum, Sponsoren ins Boot zu holen und da ich einer der wenigen aus unserem Verein bin der dauerhaft im Emsland lebt, bin ich der Typ der die Dinge besorgt, die man für den Aufbau und für die Durchführung eines Festivals so benötigt. So Dinge wie Fahrzeuge, Baumaschinen, Elektromaterial, etc..

Ihr geht dieses Jahr in die dritte Runde. Wie fing es denn an? Also wann und wie kam die Idee auf und was war ausschlaggebend dafür, dass ihr überzeugt davon wart, dem gut gefüllten Festivalkalender noch eins draufzusetzen?
J: Angefangen hat eigentlich alles ungefähr 2013, also zwei Jahre bevor wir zum ersten Neon Fields eingeladen haben. Wir hatten damals immer den Wunsch ein Festival zu organisieren, auf das wir selber auch gerne als Gäste gehen würden. Ende 2013 haben wir dann den Verein gegründet und angefangen Ideen zu sammeln. Wir kommen ja aus einer Region in der das kulturelle Angebot noch sehr überschaubar ist und ich glaube wir wollten uns auch selbst beweisen, dass es trotzdem möglich ist ein hochwertiges Programm, abseits des Mainstreams, zu realisieren.

H: Wir beiden haben uns schon vor dem Neon Fields bei verschiedenen Musikveranstaltungen im Emsland engagiert und auch bei der Organisation eines anderen Festival mitgewirkt. Das erste Mal, dass wir überlegt haben, ein eigenes Festival nach unseren Vorstellungen auf die Beine zu stellen, dürfte 2012 auf dem Rückweg von einem Tagesfestival in der Region gewesen sein, als wir uns lange darüber unterhalten haben, was uns an verschiedenen Festivals nervt. Den Satz „lass mal nen eigenes Festival machen“ hört man sicherlich häufiger in solchen Situationen, aber der Gedanke das ganze wirklich durchzuziehen kam dann immer häufiger. Letztendlich ausschlaggebend waren dann denke ich die Reaktionen verschiedener Leute, mit denen man sich über diese Idee unterhalten hat. Ein Teil war direkt begeistert und hat Unterstützung für das Projekt signalisiert und dann waren da noch die Leute, die meinten, dass es unmöglich sei ein Festival mit Workshops und „unbekannten“ Künstlern, aber dafür ohne Rock, Metal oder Punk im Emsland zu organisieren. Das war schon irgendwie eine Motivation, denen zu zeigen, dass sowas doch möglich ist.

Man sagt, aller Anfang ist schwer. Wie war es denn bei euch? Wie viele Besucher gab es, wie lief es finanziell und was ging schief?
J: Rückblickend muss ich sagen, dass im ersten Jahr alles ziemlich glatt lief. Viel besser als erwartet sogar. Wir hatten um die 600 Besucher und konnten uns dadurch sogar ein kleines finanzielles Polster für die zweite Ausgabe aufbauen. Gehakt hat es dann hauptsächlich an Kleinigkeiten, die wir vorher schlichtweg nicht auf dem Schirm hatten oder bei denen die Absprachen noch nicht wirklich funktioniert haben.

Wenn ich heute so darüber nachdenke, war der Anfang gar nicht so schwierig.

H: Wenn ich heute so darüber nachdenke, war der Anfang gar nicht so schwierig. Als die Sache mit der Genehmigung durch war, hatten wir die größte Hürde überwunden. Natürlich hatten wir Panik, dass das alles nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben und vor allem, dass es finanziell in die Hose geht. Es gab natürlich Phasen in denen wir gezweifelt haben, z.B. als zwei Monate vor dem ersten Festival noch keine 100 Karten verkauft waren, aber durch unsere Erfahrung und vor allem durch die Unterstützung von Sponsoren, war das Risiko doch relativ überschaubar.

Fiel die Entscheidung weiterzumachen nach dem ersten Jahr schwer, oder war das ein fließender Übergang?
H: Nach dem ersten Jahr waren wir ziemlich euphorisch und eigentlich war allen direkt klar, dass es ein zweites Jahr geben soll. Das war 2016 schon etwas anders. In den Wochen vor der zweiten Auflage hatte ich ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass es ein Neon Fields 2017 geben wird, da der zeitliche Aufwand schon immens ist.

J: Die Entscheidung weiterzumachen fiel eigentlich ziemlich schnell. Das ganze Team war durch die gesammelten Eindrücke total motiviert und da es auch finanziell gut gelaufen ist ging es praktisch direkt weiter.

Was wurde 2016 verändert und wie lief es dann im Vergleich zum ersten Jahr?
J: Wir haben im zweiten Jahr vor allem unsere interne Kommunikation und die Abläufe verbessern können. Dadurch war das Festivalwochenende an sich zumindest aus meiner Sicht wesentlich entspannter. Auch besuchertechnisch lief es wieder ziemlich gut, sodass ich persönlich fast rundum zufrieden war.

H: Außerdem haben wir angefangen die Gegebenheiten, die unser Gelände bietet in unser Rahmenprogramm mit einzubauen. Wir haben ja zum Beispiel ein historisches Backhaus, in dem die Gäste am Samstag ihr eigenes Brot backen können.

Was wäre heute euer Ratschlag für junge Veranstalter die gerade anfangen das erste Festival zu planen?
J: Das klingt jetzt vielleicht etwas plump, aber ich glaube man muss einfach anfangen und nicht vor eventuell auftretenden Problem zurückschrecken. Ich weiß noch wie wir damals verkündet haben, dass wir das Festival machen und unsere Facebook-Seite inklusive Datum veröffentlicht haben. Zu dem Zeitpunkt hatten wir keinen Veranstaltungsort und keinen Euro auf dem Konto. Wir haben aber sehr schnell viel Unterstützung durch lokale Unternehmen und andere Kulturschaffende erfahren und irgendwie hat am Ende dann alles funktioniert. Man muss natürlich dazu sagen, dass wir vorher schon Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnten.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir keinen Veranstaltungsort und keinen Euro auf dem Konto.

H: Ich glaube, dass es wichtig ist, voll und ganz von seiner Idee überzeugt zu sein, damit man auch andere davon überzeugen kann. Es fällt einfach leichter Sponsoren oder Entscheidungsträger in den Behörden zu überzeugen, wenn diese merken, mit wie viel Enthusiasmus und Einsatz man an die Sache herangeht.

2017 wird es erstmalig zwei Bühnen geben, richtig? Wir es dadurch etwas hektischer und die Gemütlichkeit geht verloren?
J: Richtig, das wird eine größere Änderung, die wir in diesem Jahr einführen wollen. Hektischer wird es dadurch eigentlich nicht. Vielmehr können wir noch mehr Künstler präsentieren und unser Programm etwas ausweiten. Wir werden beide Bühnen auch nicht parallel, sondern immer im Wechsel bespielen. Für unsere Stagecrew wird es durch die Änderung vielleicht auch etwas entspannter, da wir in den letzten beiden Jahren doch immer wieder mit Verzögerungen im Ablauf zu kämpfen hatten.

Inwiefern wird sich die zweite Bühne auf euer bisher doch immer sehr famoses Line-Up auswirken? Öffnet ihr euch in neue Richtungen, geht es wie gewohnt weiter, nur mehr davon? Erzählt mal.
J: Grundlegend wollen wir unserer Linie erstmal treu bleiben, haben aber schon vor in diesem Jahr ein paar weitere Impulse zu setzen und auch wieder den ein oder anderen Gitarrenklang auf unserer Bühne zu haben. Die zweite Bühne ermöglicht uns vor allem, das musikalische Angebot auszuweiten und insgesamt eine größere Auswahl an Künstlern zu präsentieren. Wir hoffen und arbeiten natürlich daran, dass wir die Qualität der ersten beiden Jahre halten können.

Was ist für 2017 generell zu erwarten? Was wird anders, was wird beibehalten, wie wird es im Gesamten?
H: Die größte Veränderung ist sicherlich die zweite Bühne und das dadurch breitere Musikprogramm. Außerdem wollen wir unser Workshop- und Rahmenprogramm noch etwas ausweiten und auch weitere Gebäude mit einbeziehen. Unter der Mersmühle versteckt sich zum Beispiel ein kleines Mühlencafè, das wir in diesem Jahr zur Frühstückszeit öffnen möchten. Generell wollen wir weiter an Details feilen und auch eingegangenes Feedback positiv umsetzen.


Euer Ticketpreis ist im Vergleich sehr human. Habt ihr mal mit dem Gedanken gespielt mehr fürs Ticket zu nehmen und dafür mehr und größer zu buchen – das Festival quasi anders auszurichten?
J: Wir wollen unsere Eintrittspreise natürlich immer so gering wie möglich halten, auch weil es unser Ziel ist jungen Leuten aus der Region eine niedrigschwellige Möglichkeit zu geben ein alternatives Kulturprogramm zu erleben. Es gab in der Vergangenheit schon Situationen, in denen wir eine Wunschband nicht buchen konnten, weil unsere Mittel einfach nicht ausreichten, aber im Endeffekt sind wir mit dem Programm der letzten beiden Jahre sehr zufrieden und sehen daher auch nicht die Notwendigkeit die Preise immer weiter zu erhöhen. Die relativ niedrigen Eintrittspreise sind im Endeffekt aber auch nur dadurch möglich, dass bei uns alle Mitwirkenden ehrenamtlich aktiv sind.

Auch wenn es für den ein oder anderen vielleicht nicht ganz verständlich ist, für den lokalen Autohändler auf den Flyern zu werben, könnten wir auf diese Einnahmequelle einfach nicht verzichten ...

H: Das Festival soll natürlich auch für Studentinnen und Studenten oder einkommensschwache Erwerbstätige bezahlbar bleiben. Auch wenn wir in diesem Jahr den Eintrittspreis leider schon anziehen mussten, trägt sich das Neon Fields längst nicht allein durch die Eintrittsgelder. Da kommen natürlich dann wieder Fördergelder und Sponsoren zum Tragen. Auch wenn es für den ein oder anderen vielleicht nicht ganz verständlich ist, für den lokalen Autohändler auf den Flyern zu werben, könnten wir auf diese Einnahmequelle einfach nicht verzichten, wenn man den Eintrittspreis niedrig halten will.


Was macht euer Festival abgesehen von der Musik besonders und könntet ihr das Neon Fields in einen Satz packen?
J: Das ist schwierig zu sagen. Wir haben das Rad ja jetzt nicht neu erfunden und machen alles anders als etablierte oder größere Festivals. Ich glaube das Neon Fields lebt von seiner Kleinteiligkeit und der intimen Atmosphäre, die unser Gelände, das ja den Rest des Jahres ein Museum ist, bietet.

H: Ich würde auch sagen, dass unser Gelände und die familiäre Atmosphäre das Neon Fields besonders machen. Ich glaube es gibt nicht viele Festivals bei denen der Veranstalter die Gäste zum Bahnhof bringt, wenn diese vergeblich auf ein Taxi warten.

... es gibt nicht viele Festivals bei denen der Veranstalter die Gäste zum Bahnhof bringt

Abschließend würde ich von euch beiden gern jeweils eine positive und eine negative, prägende Geschichte aus 2,5 Jahren Festival hören. Welchen Vorfall werdet ihr nie vergessen weil so gut oder so schlimm?
J: Das hört ihr ja wahrscheinlich öfter, aber vom Festival selbst bekommt man als Veranstalter ja leider nicht immer so viel mit. Die schönsten Erinnerungen verbinde ich daher immer mit dem Aufbau. Wir wohnen ja praktisch zwei Wochen in einem alten Müllerhaus und die Aufbauzeit fühlt sich dann an als wäre man in einem kleinen Ferienlager mit Freunden.
Das Schlimmste war eigentlich der Abbau im ersten Jahr. Wir hatten beim Festival selber unglaubliches Glück mit dem Wetter, da das angesagte Unwetter ein paar Kilometer vor uns halt gemacht hat. Pünktlich zum Abbau hat es uns dann aber doch voll erwischt. Viel schlimmer war aber, dass Heiner, der für die Koordination des Abbaus verantwortlich war, die ganze Woche im Krankenhaus lag und somit alles etwas unkoordiniert war und sich in die Länge gezogen hat. Das war eine sehr anstrengende Woche, die ich so nicht nochmal brauche.

H: Ja, mein ungeplanter Krankenhausaufenthalt war auch für mich sicherlich der schlimmste Vorfall. Es war schon ganz schön hart im Sommer im Bett gefesselt zu sein und nicht zu wissen, ob das von mir ausgeliehene Material auch zum Besitzer zurückkommt.
Ein bestimmtes schönstes Ereignis zu nennen ist schwierig. Ich freue mich immer, wenn ich die zufriedenen Gesichter der Gäste sehe, die völlig entspannt über das Gelände schlendern. Das ist gewissermaßen auch der Lohn für die viele Arbeit.